Wer gilt laut Gesetz als pflegebedürftig?
Pflegebedürftigkeit bezeichnet den Zustand, in dem sich eine Person befindet, wenn Sie den Alltag nicht mehr selbstständig bewältigen kann. Doch wer gilt laut Gesetz als pflegebedürftig?
Wie kam es zum Begriff der Pflegebedürftigkeit?
Die sozialpolitisch größte Bedeutung hatte die Einführung der Pflegeversicherung in das deutsche Sozialversicherungssystem im Jahre 1995. Die gesetzliche Pflegeversicherung (GPV) ist eine für die gesamte Bevölkerung angelegte Pflichtversicherung. Mit Hilfe dieser Versicherung sollen die Personen, die ihr Arbeitsleben lang Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung gezahlt haben, im Pflegefall nicht auf Sozialhilfe angewiesen sein. Im Jahre 2010 fielen über 21 Mrd. € Ausgaben bei der Pflegeversicherung an, davon waren über 20 Mrd. Leistungsausgaben.
Welche Gesetze regeln die Pflegebedürftigkeit?
Leistungen bei Pflegebedürftigkeit sind in folgenden Gesetzen geregelt: Hilfe zur Pflege der Sozialhilfe nach §§ 61 ff. SGB XII, Hilfe zur Pflege nach § 26c des Bundesversorgungsgesetzes, Entschädigungsleistungen („Pflegezulage“) nach § 35 Bundesversorgungsgesetz bzw. den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetz vorsehen, Leistungen bei Pflegebedürftigkeit der gesetzlichen Unfallversicherung in § 44 (im fünften Abschnitt des SGB VII).

Wie entwickelten sich weitere Kriterien?
Die ausschließliche Berücksichtigung von Verrichtungen der Grundpflege im System der Pflegestufen mit der alleinigen Betrachtung des Zeitaufwandes war nahezu ausschließlich auf Körperbehinderungen ausgelegt; geistige und psychische Beeinträchtigungen blieben unberücksichtigt.
Als mit dem demografischen Wandel immer mehr ältere Menschen an Demenz erkrankten, mussten die Angehörigen häufig feststellen, dass sie die Pflege nahezu vollständig auf eigene Kosten entrichten mussten. Der Grund dafür war, dass Demenzkranke nach dem System der Pflegestufen keine Pflegebedürftigkeit aufwiesen, obwohl sie unzweifelhaft nicht unbeaufsichtigt gelassen werden konnten. Die Einführung der eingeschränkten Alltagskompetenz als zusätzliches Kriterium, das einen Pflegebedarf begründen konnte, milderte dieses Problem zwar in gewissem Rahmen ab, löste es aber nicht vollständig.
Welche Dimensionen der Pflegebedürftigkeit gibt es?
Pflegebedürftigkeit kann durch viele Faktoren bedingt sein, wobei die Ursachen von der einzelnen Person kaum beeinflusst werden können. Pflegebedürftigkeit weist verschiedene Dimensionen auf:
- Soziale Dimension:
Pflegebedürftigkeit kann nicht nur bei den betroffenen Personen zur Isolierung führen: Die Versorgung pflegebedürftiger Personen wird in der Regel von Angehörigen geleistet, vor allem von Frauen (Töchter, Ehefrauen etc.). - Ökonomische Dimension:
Pflegebedürftigkeit ist teuer. Eigenmittel sind oft in erheblicher Menge aufzuwenden. Da das Risiko, pflegebedürftig zu werden, ab dem Rentenalter stetig zunimmt und ein ausreichendes Einkommen meistens nicht vorliegt, kann Pflegebedürftigkeit zur Verarmung führen. Die Kosten für Pflegeleistungen sind auch in Deutschland durch die Pflegeversicherung nicht vollständig abgedeckt. - Psychische Dimension:
Die Erfahrung, pflegebedürftig zu werden, ist eine belastende Erfahrung für Menschen, da die mit der Pflegebedürftigkeit einhergehenden starken, länger andauernden Einschränkungen die Lebensqualität vermindern. - Gesellschaftliche Dimension:
Das Risiko, pflegebedürftig zu werden, ist für jeden Menschen vorhanden. Aufgrund der Entwicklungen der letzten Jahre ist deutlich geworden, dass unterstützende und kompensatorische Pflege Geld kostet, egal ob sie in der eigenen Wohnung oder in einer pflegenden Institution (Pflegeheim) erbracht wird. Entsprechende Geldreserven sind dafür anzulegen (Versicherung). Wissenschaftliche Studien führen zu Erkenntnissen darüber, was jeder Einzelne dazu beitragen kann, das Risiko von Pflegebedürftigkeit zu verringern.
Die aktive Gesundheitsvorsorge die u. a. auch vor Erkrankungen wie Demenz, die oft zur Pflegebedürftigkeit führt, ein Stück weit schützen soll, betrifft nicht nur alte Menschen, sondern jede Person. Es ist deutlich, dass eine aktive und gesunde Lebensführung das Risiko, pflegebedürftig zu werden, vermindern kann. Man geht davon aus, dass neben staatlichen Förderprogrammen Initiativen in den Städten und Gemeinden erforderlich sind, um ein Bewusstsein für die Problematik zu schaffen.
Verschiedene pflegewissenschaftliche Projekte versuchen Möglichkeiten zu finden, wie das Risiko, pflegebedürftig zu werden, minimiert und wie das Eintreten von Pflegebedürftigkeit hinausgezögert werden kann. Es wird untersucht, wie die Leistungen der Pflege in einem realistischen Maß entgolten werden können, da auch die Leistungen der deutschen Pflegeversicherung noch nicht die realen Notwendigkeiten abbildet.
Bis zum Jahr 2020 werden 2,9 Millionen Pflegebedürftige prognostiziert.